Der eine hat es schon getan, der andere wird es tun: Dominik & Christof pilgern von der eigenen Haustüre nach Santiago.
Ursprünglich veröffentlicht im Juni 2016, zuletzt aktualisiert im April 2022
Christof pilgert von Zuhause aus los
In gut 2 Wochen Ende Juni startet mein Namensvetter Christof von einfachbewusst.de auf den Jakobsweg.
Das Besondere: Er startet nicht in St. Jean Pied de Port oder Irun oder Porto, wie die meisten. Er startet vor seiner eigenen Haustüre – in Nürnberg.
Damit erfüllt er sich einen Wunsch, den viele haben und den ich auch schon mal geträumt habe: Von zuhause aus lospilgern. Keine lange Anreise, sondern die Haustür hinter dir zuziehen und losgehen.
Christof schreibt auf seinem Blog über Minimalismus, vegane Ernährung und eben Wandern. Und er bietet seinen Lesern und allen Interessierten an, ihm über das Internet auf seiner Pilgerreise zu folgen gegen einen kleinen Beitrag.
Unter dem Motto „3.000 Kilometer, 120 Tage, 4 Länder, 2 Beine, 1 Ziel“ wird er täglich Fotos und einen Reisebericht posten.
Seine Route führt von Nürnberg über Ulm an den Bodensee, danach durch die Schweiz nach Genf, weiter auf der Via Gebennensis und Via Podiensis durch Frankreich und schließlich auf dem Camino Frances oder dem Küstenweg nach Santiago.
Das Abenteuer, das Christof vor sich hat, hat mein Kumpel Dominik von wanderveg.de bereits hinter sich. 2014 ist er – ebenfalls vegan – von Köln aus bis nach Santiago de Compostela gepilgert.
Im Folgenden wird er erzählen über die 4 Gründe, warum du deinen Jakobsweg vielleicht ebenfalls vor deiner Haustüre starten solltest – es sind überraschende Erkenntnisse dabei.
4 Gründe für den Jakobsweg vor deiner Haustüre
*Gastartikel von Dominik von wanderveg.de*
Es ist der 17. Juli 2015. Ich habe auf diesen Tag hingefiebert, wie ich lange nicht mehr auf einen Tag hingefiebert hab. Drei Monate habe ich alles durchgeplant.
Ich habe die Route ausgearbeitet, die einzelnen Etappen „pi mal Daumen“ geplant, mich über Ausrüstung informiert, Pilgerführer studiert und diese anschließend gekauft.
Nun ist es wirklich soweit. Rund 3.200km von Köln nach Santiago de Compostela auf deutschen Jakobswegen, französischen und spanischen Jakobswegen liegen vor mir.
Diese, mir zu diesem Zeitpunkt noch unendlich lang erscheinende Reise startet mit einem Kribbeln im Bauch und dem ersten Schritt: vor meine Haustür. Denn dort starte ich. Ich kann dir nur empfehlen, es mir gleichzutun.
Grund 1: Du lernst Deutschland von einer anderen Seite kennen
Seien wir mal ehrlich: Deutschland ist ein Paradies. Nicht nur, was die Lebensbedingungen angeht, sondern auch von dem, was es landschaftlich zu bieten hat.
Wenn ich das Meer nicht so lieben würde, würde ich den deutschen Teil meines Jakobsweges sogar als den landschaftlich schönsten einstufen.
Der Rheinsteig mit seinen grandiosen Ausblicken, die Eifel mit ihren märchenhaften Wäldern oder der Pfälzer Wald mit beeindruckenden Bäumen und Felsen – all diese Regionen sind für sich schon eine Reise wert.
Jeder Land, in dem ich auf dem Jakobsweg unterwegs war hatte seinen ganze eigenen Reiz und Deutschland hat es nicht nötig, sich zu verstecken. Hier gibt es ein perfekt ausgebautes Wegenetz aus Jakobswegen kreuz und quer durch die ganze Bundesrepublik.
Falls du jetzt denkst: „Ich kenn mich doch eh schon aus, was soll ich denn hier noch neues entdecken?“ verspreche ich dir, dass du überrascht sein wirst, wie viele neue Dinge du unterwegs mit all deinen Sinnen wahrnehmen wirst.
Pilgern bedeutet nämlich auch, mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu gehen und die Umgebung wahrzunehmen. Sinne, die weder in der Bahn, noch im Auto oder Flugzeug wirklich gefordert sind, leben in der Natur wieder auf. Hören und Riechen gewinnt neben Sehen wieder sehr stark an Bedeutung.
Ich erinnere mich noch genau an eine Situation im Wald, als ich fünf Minuten einfach dastand und gerochen haben.
Das Dufterlebnis „Waldgeruch nach Regen in der Eifel“ strömte in meine Nase und brachte mich zurück in meine Kindheit. Danach habe ich diese Geruch nur noch sehr selten gerochen und doch fühlte es sich an, als wäre es gerade gestern gewesen.
Neben diesen geruchsintensiven Erlebnissen finde ich es einfach toll, Deutschland besser kennenzulernen und regionale Gewohnheiten und Unterschiede zu erleben.
Niemals ist es einfacher, so viel von Deutschland zu Fuß zu sehen, als wenn du deinen Jakobsweg vor deiner Haustür startest. Probier‘ es aus und tu‘ es Goethe gleich. Schon er hat gesagt:
„Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.“
Schlauer Mann!
Grund 2: Du hast Zeit für dich allein
Eine Reise auf dem Jakobsweg ist eine intensive Erfahrung. Wenn du vor deiner Haustür startest wird sie noch intensiver. Du wirst in Deutschland nämlich alleine unterwegs sein.
In Deutschland heißt alleine, wirklich alleine. Du wirst nicht, wie in Frankreich oder Spanien, tagsüber Pilger sehen.
Auch abends steigst du nicht in Herbergen ab, wo andere Gleichgesinnte sind. Das macht aus der intensiven Erfahrung eine sehr intensive Erfahrung.
Ich habe in Deutschland, obwohl ich im Sommer unterwegs war, keinen einzigen Pilger getroffen. Auch abends in den Unterkünften war ich oft alleine – teilweise war ich wirklich der einzige Gast.
Ich möchte diese Erfahrung jedoch nicht missen. In den ersten Tagen gingen mir die „normalen“ Gedanken durch den Kopf, die mich immer und immer wieder auch im Alltag umgetrieben haben. Danach stellte sich eine Leere in meinem Kopf ein, als ob ich „alle möglichen Gedanken“ bereits durchdacht hätte.
Anschließend wurde es für mich sehr interessant aber auch anstrengend: alte, längst beiseite geschobene und verdrängte Situationen meines Lebens tauchten vor meinem geistigen Auge auf und weckten Emotionen in mir.
Das fühlte sich genauso an wie in der erlebten Situation. Ich habe alle Höhen und Tiefen nochmal durchleben können, um dann Frieden mit ihnen zu schließen.
Den dazugehörigen Emotionen freien Lauf zu lassen und sie einfach als Teil meines Ichs zu akzeptieren, ist eine der wertvollsten Erfahrungen meiner Jakobsweg-Reise. Ich war 27 von den ersten 34 Tagen komplett alleine unterwegs.
Alleine bedeutet dabei aber nicht, dass ich einsam war. Sicherlich habe ich mich manchmal einsam gefühlt, aber das „alleine sein“ habe ich freiwillig gewählt.
Einsamkeit hingegen ist ein Gefühl, für welches du dich nicht entscheiden kannst. Ich bin oftmals in menschengefüllten Räumen einsamer als auf meiner Reise alleine im Wald. Kennst du das Gefühl?
Grund 3: Sofort auf den Jakobsweg starten
Kennst du die folgenden Situation? Du steigst gestresst in die Bahn oder das Auto und fährst Richtung Flughafen. Du musst zu einer bestimmten Uhrzeit da sein – am besten drei Stunden vorher – und dein Gepäck einchecken.
Du wirst abgetastet, kontrolliert. Du fühlst dich nicht wirklich wohl in der Situation, aber was sollst du schon tun? Irgendwie musst du ja nach Saint-Jean-Pied-de-Port, Irun, Porto oder sonstwo kommen.
Wie sollst du sonst auf deinen Jakobsweg starten? Ich hab die Lösung: Spar‘ dir den Stress einer komplizierten Anreise und geh vor deiner Haustür los.
Wie bereits erwähnt gibt es in Deutschland ein riesiges Netz an Jakobswegen und ich bin mir sicher, dass auch bei dir ein Jakobsweg in der Nähe entlang läuft.
Als ich in Köln das Haus verlassen habe, war ich zwar aufgeregt wie ein kleines Kind aber dennoch vollkommen entspannt.
Das Gefühl, zunächst noch durch bekannte Straßen zu schlendern, an bekannten Geschäften und Sehenswürdigkeiten vorbei und zu wissen, dass dieser Gang der letzte vor Ort für die nächsten drei Monate ist, war ein unbeschreibliches Gefühl.
Je weiter ich mich von Köln entfernte, desto geringer wurde meine Ortskenntnis und schon am zweiten Tag fühlte ich mich, als wäre ich extrem weit von Köln entfernt.
Und die Aufregung? Die blieb, auch noch am zweiten und dritten Tag. Ich glaube, das ist die Magie, wenn man ganz alleine unterwegs ist. Ich fühlte ein Kribbeln in meinem Bauch.
Es fühlte sich an wie damals, als ich zum ersten Mal richtig verliebt war. Weißt du noch wie sich das angefühlt hat? Nein? Dann solltest du entspannt und ohne Stress auf den Jakobsweg starten – vor deiner Haustür.
Grund 4: Familie, Freunde und Bekannte wieder treffen
Ok, ich bin ehrlich: in Deutschland auf dem Jakobsweg unterwegs sein ist nicht günstig. Die Herbergeninfrastruktur ist quasi nicht vorhanden, du hast also nur die Chance auf Pensionen und Hotels zurückzugreifen oder ein Zelt mitzunehmen – anders als in den Pilger-Unterkünften in Spanien.
Das Zelt empfehle ich wirklich jedem, der vor der eigenen Haustür losgehen will, denn campen können wir fast so gut wie unsere holländischen Nachbarn. Dementsprechend gibt es nahezu überall Campingplätze.
Außerdem lässt sich auch in deutschen Wäldern sicherlich das ein oder andere Mal ein lauschiges Plätzchen für eine Nacht finden (Hinweis: Wild campen ist grundsätzlich verboten ist).
Eine weitere Möglichkeit ist es, die Route (so gut es geht) so zu gestalten, dass du bei Familie, Freunden und Bekannten übernachten kannst.
Durch die vorgegebenen Jakobswege ist das nicht immer möglich. Mit ein bisschen Planungsgeschick und Hilfsbereitschaft deiner Liebsten lässt sich das dennoch machen.
Wenn ich schreibe, dass ich 34 Tage alleine unterwegs war, lüge ich eigentlich, denn ich habe von Köln aus extra die Jakobswege gewählt, die mich bei Familie, Freunden und guten Bekannten vorbeiführten.
So habe ich es geschafft, eine ganze Woche nicht in Hotels oder Pensionen nächtigen zu müssen: zunächst habe ich bei meinem Bruder und seiner Freundin übernachtet, anschließend bei meinen Eltern und zum Abschluss bei Freunden.
Nicht alle der Orte, in denen ich übernachtet haben, liegen direkt am Jakobsweg.
Meine Eltern haben mich beispielsweise an Tag 15 in Kröppen abgeholt und ich habe bei ihnen übernachtet. Am nächsten Morgen haben sie mich wieder nach Kröppen gefahren und ich bin bis nach Blieskastel gegangen. Abends und am nächsten Morgen dann wieder das gleiche.
Dadurch konnte ich ganze sieben Abende hintereinander Zeit mit meinen Liebsten verbringen und mit Freunden, die ich viel zu selten sehe. Neben dem „Wohlfühl“-Faktor hat mich das finanziell entlastet.
Ich konnte nämlich nicht nur kostenlos übernachten, auch für mein leibliches Wohl wurde bestens gesorgt. So macht das Wiedersehen noch mehr Spaß und ich habe gelernt, die gemeinsame Zeit mit den Liebsten noch mehr zu schätzen.
Ankommen in Santiago
Nach 88 Tagen und 3.141km auf sieben verschiedenen Jakobswegen bin ich am 12. Oktober 2015 in Finisterre am Ziel meiner Reise angekommen (Finisterre liegt nochmal kurz hinter dem eigentlichen Ziel Santiago de Compostela):
ich bin vom linksrheinischen über den rheinhessischen, den pfälzischen und den saarländisch-lothringischen Jakobsweg bis nach Metz gepilgert von dort nach Le-Puy und anschließend über die Via Podiensis und den Camino del Norte bis ans Ende der Welt.
All die Tage, Kilometer und Wegenamen sagen nichts darüber aus, was der Weg mit mir gemacht hat. Er hat mich näher zu mir gebracht – deshalb bin ich für jeden Schritt dankbar!
Autorenbeschreibung: Dominik hat Mitte 2015 seinen Job an den Nagel gehangen und ist aus dem Hamsterrad ausgebrochen. Die längste Reise seines Lebens führte ihn von Köln über Santiago de Compostela bis nach Finisterre. Er hat dabei Geld für den guten Zweck gesammelt und regelmäßig über seinen Jakobsweg gebloggt. Unter www.WanderVeg.de findest du seinen neuen Wander- und Outdoor-Blog und erhältst bei Anmeldung für seinen Newsletter als Dankeschön ein 80-seitiges e-Book zum Thema „Basiswissen Wanderausrüstung“.
Hallo christoph ich wünsch dir viel freude…bin aktuell in irun, seit 3.mai unterwegs und auch zuhause gestartet 🙂
Hi Teresa, Respekt dafür 🙂 Hoffe du hattest auch eine tolle Reise, Christoph
Hallo zusammen,
von der Haustüre raus und dann bis zum Ziel wandern oder radeln. Ich kann das wie Dominik auch nur empfehlen. Hab das schon mehrmals gemacht, bei meiner Radweltreise vor 10 Jahren, meiner Fernwanderung nach München und weiter über die Alpen ans Mittelmeer und nun gehts eben von Nürnberg auf dem Jakobsweg 3000 km nach Santiago de Compostela. Vielen Dank, Christph, fürs Vorstellen meiner Tour! Bei den meisten wird es an der nicht vorhandenen Zeit liegen. Die muss man sich natürlich nehmen trauen. Ich zitiere da gerne aus dem Talmud: „Sage nicht, wenn ich Zeit dazu habe, vielleicht hast du nie Zeit dazu. Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Viele Grüße aus Franken
Christof
Hi Christof, danke für deine Worte, hoffe du hast eine schöne Zeit auf dem Camino! Lg, Christoph