Aktualisiert: Juni 2024
Die Universität des Lebens. So nannte ein Herbergsvater auf dem Küstenweg Camino del Norte – altersgemäß schon eher ein „Herbergs-Opa“ (über 80 müsste er inzwischen sein) – seine damalige Zeit des Reisens.
Zweieinhalb Jahre Zeit, wenn ich mich richtig erinnere, hatte der Mann sich in jungen Jahren freigeschaufelt, um die Welt und zig Länder und Kontinente zu bereisen. Jahre danach rief er eine Pilgerherberge ins Leben.
Eine Herberge, die er heute noch betreut und die als eine der kultigsten und besonderen des ganzen Küstenwegs gilt: Die Albergue von Güemes, kurz vor Santander, auf der 15. Etappe des Küstenwegs (mehr zu den Camino del Norte Etappen hier).
Diese Herberge und ihre Geschichte möchte ich dir heute einmal näher vorstellen.
Kult-Herberge in Güemes auf dem Camino del Norte
Kein Wunder, denn hier in der Herberge von Güemes werden alle Pilger am Abend zusammengerufen, um einem einstündigen Vortrag von Ernesto, eben jenem Herbergsvater, zu lauschen. Erst danach gibt es Abendessen, übrigens für alle Pilger gemeinsam an einer langen Tafel.
Mir fielen zunächst fast die Augen zu, als der Herbergsvater zu erzählen anfing, denn der Tag war lang, die Strecke weit und das Wetter warm gewesen bei meinem Besuch letzten Sommer.
Doch in den Tagen und Wochen danach sollten mir die Worte des Herbergspapas immer wieder einmal durch den Kopf gehen. Er hatte Recht mit dem, was er uns erzählte: La universidad de la vida, die Universität des Lebens, so hatte er das Reisen genannt.
-> Lesetipp: Camino del Norte: Unterkünfte
Reisen als Universität des Lebens
Welch treffliche Bezeichnung, die auch endlich diejenigen verstummen lassen könnte, die nicht ganz auf unserer Seite sind. Die das Reisen als Urlaub, als Faulenzertum, als dahingeworfene Zeit sehen. Die, die Ihr-solltet-lieber-was-vernünftiges-tun predigen.
Nein, es ist kein Urlaub. Es ist eine Reise. Das ist was ganz anderes. Es ist kein Konsumieren, kein Pauschalisieren, es ist eine höchst individuelle Angelegenheit, die Mut und Ausdauer bedarf. (Lesetipp: Zum ersten Mal alleine reisen – 9 Reiseblogger erzählen).
Es ist eine intensive Zeit, des Lernens, des Erfahrens – unzwar nicht auf intellektueller, sondern auf körperlicher Ebene. Denn wir können noch so viel in Büchern lesen und nachdenken; erfahren und gefühlt wird das Leben im Körper, nicht im Kopf. Das ist der Unterschied zwischen Wissen und Erfahrung.
Wie es wirklich ist, einen Camino zu gehen, weiß ich erst, wenn ich es getan habe.“
Und ich kann zig Bücher über das Pilgern und Reisen lesen (und das habe ich früher auch getan), doch wie es wirklich ist, in der Welt unterwegs zu sein, einen Camino zu gehen, das weiß ich erst, wenn ich es getan habe. In dem Sinne ist das Reisen ein Premium-Studiengang, eine 1A-Ausbildung, mit höchstem Praxisanteil.
Pilgern als Lebenserfahrung
In Spanien hat man dies erkannt: Dort ist, so habe ich mir sagen lassen, eine absolvierte Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela für Schüler neben dem Schulabschluss wesentlicher Bestandteil des Lebenslaufs. Und in der Tat: Was könnte besser auf das Leben vorbereiten, als eine intensive, anstrengende, freudvolle Reise?
Was könnte näher dran sein am Leben, als der Jakobsweg mit seinen Herausforderungen, Höhen und Tiefen, Begegnungen und Einsamkeit? Was könnte unserer Natur mehr entsprechen, als uns durch eben jene zu bewegen?
Was könnte ein besseres Zeugnis für Reife, Erfahrung und Durchhaltevermögen sein, als das wochenlange Pilgern über Hunderte von Kilometern durch ein fremdes Land, den Naturgewalten ausgesetzt und nur mit dem nötigsten ausgestattet?
Auf dem Camino del Norte
Doch zurück zur Herberge: Wenn du den Küstenweg entlangpilgerst, sollte ein Halt bei Ernesto in Güemes definitiv dazugehören! Zum Übernachten benötigst du natürlich den Jakobsweg Pilgerpass.
Infos zur Albergue Güemes:
- 73 Betten
- in 12 Zimmern,
- Küche,
- Aufenthaltsraum,
- Garten.
- Ggf. Massagemöglichkeit
- Gemeinsames Essen häufig
- Vortrag des Herbergsleiters Ernesto
Ich bin letztes Jahr durch Zufall hierher gekommen. Ich hatte eine, von einer Gesellschaft, geplante Pilgern (von Hotel zu Hotel) gebucht. Ich hatte mich verlaufen und wurde von einem Fahrer der Herberge aufgesammelt. Er meint, dass es in der Herberge sehr schön sei. Prompt habe ich mich entschieden, meine Sachen (ich hatte Gepäckservice) aus dem Hotel zu holen und hier zu übernachten. Es war einfach so herzlich und die Gemeinschaft sehr schön. Ich bin überglücklich hier gewesen zu sein. Dieses Jahr werde ich meinen Weg von Santander fortführen und es auf eigene Faust wagen. In der Gemeinschaft ist es so viel schöner, als alles geplant und alleine im Hotel übernachtend. Vielen lieben Dank an Ernesto und seinem Team!!!!!!!!! Liebe Grüße Petra
Das war ein beeindruckendes – vielleicht das beeindruckendste des Caminos für mich. Ich war eine Jubilarin, zu der ich im Prinzip nicchts konnte (die 20.0000. Besucherin in diesem Jahr und wurde empfangen wie ein Promi. Ernosto zeigte ich ein Bild meines verstorbenen Mannes, für den ich den Weg gegangen bin und er fuhr in den Ort und läutete die Glocken!
Auf dem Weg hatte ich einen Riesen-Bovisten (Pilz) gefunden, den ich hier putzen und zubereiten konnte. Für mich eine kleine Chance, etwas in die Gemeinschaft zu geben, das auch für sie neu war.
Danke Ernesto!
Die Herberge von Padre Ernesteo ist schon etwas Besonderes. Nach einem langen, ermüdenden Wandertag in der albergue einzutreffen, herzlich willkommen geheißen zu werdenund dann dem Vortrag über das Leben von Ernesto und seine Konzepte zu lauschen, hat mich mit innerer Zufriedenheit und Dankbarkeit erfüllt. In keiner anderen Herberge gab es soviel Gemeinschaft und Konzentration auf das Wesentliche des Camino.
Supper
Einer der schönsten Orten, die ich auf dem Küstenweg kennenlernen durfte. Ich hatte mich auf dem Weg nach Güemes mehrmals verlaufen und war körperlich und seelisch völlig am Ende, als ich oben ankam. Weil gerade eine private Feier war, wurde mir direkt der Rucksack abgenommen, mir eine heiße Suppe und ein Glas Wein hingestellt. Ich hab fast geweint vor Glück 🙂 Am Abend wurde es dann noch ein wenig anstrengend: Ernesto bekam mit, dass ich sowohl spanisch als auch englisch spreche. Ergo: Ich durfte den Vortrag übersetzen…Anstrengend, aber insgesamt eines der Erlebnisse, die eine Reise wie diese so einzigartig machen.
Hi Laura, danke für deine persönlichen Worte! Ich war auch ziemlich fertig, als ich in Güemes ankam, lange Etappe und heißer Tag. Und dann noch den Vortrag anhören „müssen“, doch im Nachhinein war ich froh. 🙂 Lg Christoph